Im 3. Teil unserer Serie «Solothurnerinnen sichtbar gemacht» kommt Rosmarie Zimmermann aus Attiswil zu Wort. Sie gründete 2019 den Weltacker in Attiswil.
Sophie Deck
Da der Kampf um Frauenrechte immer auch ein Kampf ums Sichtbarwerden war und ist, wollen wir 2021 Solothurnerinnen sichtbar machen. Jeden zweiten Montag (oder Dienstag) erzählt eine Solothurnerin von ihren Erlebnissen und Zielen und zeigt sich so den Lesern.
Rosmarie Zimmermann
Rosmarie Zimmermann ist 58 Jahre alt und wohnt in Attiswil. Sie war Lehrerin, bis sie in einen Landwirtschaftsbetrieb einheiratete. Dann machte sie eine Weiterbildung zur Bäuerin und führt nun gemeinsam mit ihrem Mann den Bleuerhof in Attiswil. Zusätzlich arbeitet sie beim Amt für Umwelt. 2019 gründete sie mit ihrem Mann und Freunden den Weltacker Attiswil. Dieser repräsentiert die Ackerfläche, die jedem Menschen rechnerisch zur Verfügung steht (2000 m2) mit dem rund 50 wichtigsten Getreiden und Gemüse, die weltweit angebaut werden. Rosmarie Zimmermann leitet die Ackertouren, führt also Besucherinnen und Besucher über die Fläche und erklärt ihnen die Zusammenhänge mit der Umwelt.
Was haben Sie bis jetzt mit dem Weltacker für Erfahrungen gemacht?
Gäste über den Acker zu führen, ist für mich ein Geschenk. Ihre Fragen sind enorm spannend und oft habe ich durch den Austausch auch selber ein Aha-Erlebnis. Einige kommen auch mit einer sehr kritischen Haltung hierher. Sie meinen, wir würden ihr Verhalten kritisieren. Allerdings ist es nicht unser Ziel, Leute zu belehren, sondern einfach ihnen Zusammenhänge zu erklären. Da freut es mich dann natürlich umso mehr, wenn auch einer von ihnen etwas von hier mitnehmen kann.
Was bedeutet das Thema Umwelt für Sie?
Ich glaube, für mich bedeutet es das Gleiche wie für alle: Die Umwelt ist die Grundlage unser aller Lebens. Einmal habe ich gelesen: «Die Umwelt ist wie das Wohnzimmer der Gesellschaft.» Da kann sich eigentlich niemand drausnehmen. Allerdings merke ich auch, dass viele Umweltthemen heute einfach weniger konkret sind als früher. Als man über diese Dinge zu sprechen begann, war das Wasser in den Brunnen teils rot vom Schwefel und es gab ein Badeverbot in der Aare. Da war für alle klar, dass man etwas machen muss, denn man sah es ja. Und Verbesserungen sah man auch sehr rasch. Heute ist zum Beispiel das CO2 in der Atmosphäre ein Thema. Doch das sieht man von blossem Auge einfach nicht. Und wenn wir jetzt alle aufhören, Auto zu fahren, dauert es noch Jahrzehnte, bis wir eine Verbesserung merken. Dafür braucht es viel Ausdauer.
Wann hatten Sie das erste Mal das Gefühl «Ich will etwas für die Umwelt machen»?
Für mich gab es da nicht so einen bestimmten Moment. Sobald ich vom Lehrerinnenberuf in die Landwirtschaft ging, war das Thema für mich allgegenwärtig. Den ganzen Tag hatte ich mit dem Anbau von Pflanzen zu tun. So sah ich all diese Zusammenhänge und verstand sie immer besser. Und als ich dann beim Amt für Umwelt begann, vertiefte ich mein Wissen noch mehr.
Wie sind Sie zum Projekt Weltacker gekommen?
Beim Amt für Umwelt betreuen wir das Projekt Klimageschichten. Dabei porträtieren wir unter anderem Leute, die sich für das Klima einsetzten. So traf ich Bastiaan Frich, der den Weltacker in Nuglar gegründet hat. Ich war von dem Projekt sofort fasziniert und überlegte: Das wäre ein Projekt für unseren Hof!
Und wie haben Sie das dann angefangen?
Ich erzählte davon meinem Mann und einem befreundeten Ehepaar, Christine und Martin Sommer. Wir besuchten gemeinsam den Weltacker in Nuglar und fragten nach, was wir alles beachten müssen und wie man so etwas startet. Wir mussten dann von vielen Gewächsen erstmal lernen, wie man sie überhaupt anpflanzt. Ich hatte zum Beispiel keine Ahnung, woher Jute kommt. Aus Indien und Bangladesch, übrigens.
Was hoffen Sie, dass der Weltacker bewirken kann?
Mir ist klar, dass dieses Projekt nicht die ganze Welt verändern wird. Was ich aber hoffe, ist, dass es die Leute dazu anregt, sich Gedanken zu machen. Und vielleicht werden sie ja dann bei einer Abstimmung, wenn es um die Umwelt geht, diese Überlegungen in ihre Entscheidung miteinbeziehen.
Wie haben Sie 1971 die Einführung des Frauenstimmrechts erlebt?
Ich war damals acht Jahre alt, habe es also selbst nicht so präsent erlebt. Ich weiss aber, dass es meiner Mutter und meiner Grossmutter sehr wichtig war. Das hatte auch etwas mit ihrer Geschichte zu tun: Mein Grossvater ist früh gestorben und meine Grossmutter war danach alleinerziehend. Mit den Rechten, die Frauen damals hatten, war das eine sehr schwere Zeit für sie.
Was ist für Sie die Rolle der Frau in der heutigen Gesellschaft?
In meinem Bereich, der Landwirtschaft, ist immer noch vieles schwierig. Wenn man als Frau auf einem Betrieb mitarbeitet, gilt man in der Regel nicht als erwerbstätig und hat deshalb keine Sozialversicherung. Deshalb und auch wegen meiner Familiengeschichte habe ich mir mit meiner Arbeit immer eine gewisse Selbstständigkeit erhalten. Für mich ist Gleichstellung also sicher nicht ein Thema, das vom Tisch ist.
Gibt es etwas, was Sie anderen Frauen mit auf den Weg geben möchten?
Wenn ich jetzt an meine Töchter denke, dann würde ich sagen, es ist wichtig, dass man eigene Wünsche umsetzt und sich bildet. Und dass man sich auch dafür einsetzt, dass sich weltweit alle Frauen bilden können.