Im 5. Teil unserer Serie «Solothurnerinnen sichtbar gemacht» kommt Denise Geiser aus Olten zu Wort. Die Psychologin hat ein Album für Kinder geschrieben.
Sophie Deck
Da der Kampf um Frauenrechte immer auch ein Kampf ums Sichtbarwerden war und ist, wollen wir 2021 Solothurnerinnen sichtbar machen. Jeden zweiten Montag (oder Dienstag) erzählt eine Solothurnerin von ihren Erlebnissen und Zielen und zeigt sich so den Leserinnen und den Lesern.
Denise Geiser
ist 32 Jahre alt und wohnt in Olten. Sie ist Fachpsychologin für Kinder- und Jugendpsychologie. Ausserdem ist sie in einer musikalischen Familie aufgewachsen, spielt Klavier und schreibt seit ihrer Jugend eigene Songs. Dieses Jahr hat sie diese beiden Bereiche in einem Projekt vereint: Sie nimmt ein Album auf mit Kinderliedern, von denen jedes ein anderes Gefühl thematisiert, wie Liebe, Wut oder Trauer. Diese Lieder sollen Kindern und Jugendlichen helfen, einen besseren Zugang zu ihren Gefühlen zu finden. Das Projekt heisst «GeisDesBlitz». Geiser wird das Album diesen Oktober herausgeben und veranstaltet momentan ein Crowdfunding.
Denise Geiser, warum sind Sie Fachpsychologin für Kinder und Jugendliche geworden?
Denise Geiser: Als ich das Psychologie-Studium begann, war ich relativ breit interessiert. Dann fand ich aber eine Dozentin besonders cool. Sie hat Entwicklungspsychologie unterrichtet und mich mit ihrem Fachwissen und ihrer Begeisterung fürs Thema inspiriert. Zudem hat sie viele lustige Beispiele gebracht, welche die Entwicklungsschritte, die Kinder machen, gut veranschaulichen konnten. Deswegen habe ich in Bern ein Praktikum als Kinderpsychologin gemacht und so gemerkt, dass ich das richtig spannend finde. Man hat jeden Tag wieder eine neue Familie vor sich und denkt sich in das hinein, was sie brauchen. Und mit Kindern macht man auch vieles spielerisch und findet gemeinsam Wege, dem Problem auf den Grund zu gehen, statt wie oft bei Erwachsenen nur durch Eins-zu-eins-Gespräche. Mir gefällt diese Abwechslung.
Und wie ist daraus das Projekt «GeisDesBlitz» entstanden?
Bei den Beratungsgesprächen mit Kindern und Familien fragt man sich immer: Was könnte ich sagen, was dem Kind hilft? Irgendwann bin ich an einen Punkt gekommen, an dem ich gemerkt habe, dass ich bestimmte Dinge immer wieder sage. Zum Beispiel, dass man sich auf seine Stärken konzentrieren soll statt auf seine Schwächen. Da habe ich mich gefragt, ob es nicht eine Möglichkeit gäbe, wie man diese ermutigenden Botschaften gleich mehreren Kindern auf einmal mitteilen könnte. Gleichzeitig hatte ich gerade begonnen, wieder mehr Musik zu machen; da machte es Klick. Wenn ich diese Botschaften in Lieder verpacke, dann macht es mir Spass und für die Kinder sind sie leicht zugänglich. Ich dachte mir: ‹Das ist es!› und wusste sofort, da würde ich dranbleiben. Solch eine Sicherheit hatte ich vorher noch nie.
Wie haben Sie Ihr Wissen als Fachpsychologin in die Lieder mit einfliessen lassen?
Als Psychologin weiss ich, wie wertvoll es für Kinder ist, dass sie lernen, mit ihren Gefühlen umzugehen. Kinder lernen vieles, in dem sie sich an Vorbildern und Modellen orientieren. In den Liedern gibt es viele Geschichten, in denen die Figuren Lösungsansätze ausprobieren, die hilfreich sein können. Von diesen kann man sich etwas abschauen. Gleichzeitig zeigen die Lieder, dass andere manchmal vor den gleichen Herausforderungen stehen wie wir selbst, was sehr entlastend sein kann. Der dritte zentrale Aspekt ist etwas, was wir in der Psychologie «Psychoedukation» nennen. Wir erklären dabei, was wir über den Ablauf psychologischer Prozesse wissen, also beispielsweise wo Gefühle entstehen und wie sie sich äussern können – und das kann helfen, damit umzugehen. Auch das machen die Lieder. Und schliesslich sollen die aufmunternden und hoffnungsvollen Botschaften die Kinder stärken.
Sie haben gesagt, Sie möchten Kindern mit der Musik helfen, mit ihren Gefühlen umzugehen. Erfüllt Musik auch für Sie selbst diese Ausgabe?
Ja, Musik war schon immer ein fester Bestandteil meines Lebens und ich habe auch oft Dinge, die ich erlebt hatte und die mich beschäftigt haben, in meine Lieder aufgenommen. Musik hilft einem auf jeden Fall, wenn man aufgewühlt ist. Ich glaube, dass man dann seinen Bezug zu den Gefühlen findet und sich etwas regulieren kann – Kinder wie Erwachsene.
Welches Lied auf ihrem Album mögen Sie am liebsten?
Mein Lieblingslied ist «Rückenwind». Es kommt ganz zum Schluss und fasst zusammen, was ich den Kindern auf ihren Weg mitgeben möchte: Ich wünsche mir für sie, dass sie hinter sich immer einen Antrieb und ein Auffangnetz haben. Sie sollen neugierig sein dürfen und Dinge ausprobieren und dabei wissen, dass sie jemand auffängt, wenn sie einen Fehler machen.
Was haben Sie nun für Pläne? Beinhalten diese noch mehr Musik?
Ich bin erst einmal gespannt, wie die Reaktionen sind und wer das Album überhaupt hört. Ich habe nämlich auch schon Rückmeldungen von Erwachsenen bekommen – vielleicht hören es gar nicht nur Kinder? Und dann hoffe ich, dass man die Lieder vielleicht auch in Schulen oder Therapiesitzungen verwenden kann, um Gespräche über Gefühle anzustossen. Weitere Musik würde ich dann von den Reaktionen abhängig machen, aber dieses Jahr ist, glaube ich mal, ziemlich voll.
Was ist für Sie die Rolle der Frau in der heutigen Gesellschaft?
Ich finde, das Schöne heutzutage ist, dass man als Frau noch nie so frei selber wählen konnte, was für eine Rolle man haben möchte und auch wie man diese ausfüllt. Das ist eine riesige Chance, für die ich sehr dankbar bin. Ich wünsche mir, dass wir diese Gelegenheit nützen und gegenseitig so tolerant sind, dass sich jede Person in ihrer Individualität und in ihren Entscheidungen wertgeschätzt und akzeptiert fühlt.
Gibt es etwas, was Sie anderen Frauen sagen möchten?
Etwas, das ich für mich selber gelernt habe: Es ist unglaublich wertvoll, wenn man sich Zeit nimmt herauszufinden, was die eigenen Stärken und Werte sind – und dafür Raum schafft. Man kann das Leben ein Stück weit selber so gestalten, dass das Platz hat, was man gut kann und was einem wichtig ist. Das braucht Mut und Ausdauer. Aber ich glaube, wenn du etwas findest, was dich genug begeistert, dann schaffst du es auch, etwas zu bewegen.