Vom Nebel verschluckt: Der 70. Weissenstein-Schwinget ohne Zuschauer

Lesen Sie den Artikel hier auf solothurnerzeitung.ch

Vom Nebel verschluckt: So war der 70. Weissenstein-Schwinget ohne Zuschauer

Die Bänke sind leer, der Nebel ist dicht und überall stehen Pressefahrzeuge. Über die etwas andere Stimmung am Samstag beim Schwingfest auf dem Weissenstein.

Sophie Deck

Im Nebel ist nur ein Schwingplatz auf einmal sichtbar. Bild: Oliver Menge

Der Weissenstein ist am Samstag wie ein merkwürdiger Traum. Unten in Oberdorf scheint noch die Sonne, auf dem Berg sieht man kaum den Kiesweg, auf dem man geht.

Die neblige Luft unterstützt die traumartige Stimmung. Es gibt keine Zuschauer – die paar Bänke um die Schwingplätze herum bleiben so gut wie leer.

Dafür ist das Feld eingerahmt von SRF- und anderen Presse-Fahrzeugen und es tummeln sich Foto- und Videokameras auf dem Rasen, direkt hinter der Absperrung.

Das Schweizer Fernsehen überträgt das Schwingerfest mit allen Details, bis hin zum Plätschern der Brunnens, neben dem ein Mikrofon steht.

«Das ist einerseits vermutlich angenehmer, weil man einfach bequem auf dem Sofa sitzen kann statt hier in der Kälte», sagt ein Teamleiter.

«Aber sicher ist es nicht das Gleiche. Wenn man hier ist, kann man sich selbstständig zwischen den Plätzen bewegen.»

Damit hat er Recht: Man kann der Absperrung entlang durch den schlammigen Rasen um den Schwingerplatz herumgehen und sich ganz in Ruhe jede Paarung aus der Nähe ansehen. Man sieht halt immer bloss zwei Schwinger auf einmal – der Rest wird vom Nebel verschluckt.

Der 70. Weissenstein-Schwinget ist leise und etwas einsam. Einsam, weil man, wenn man sich mehr als zwei Schritte von jemandem entfernt, diese Person komplett aus den Augen verliert.

Es ist eine Stimme aus dem Nichts, welche die Paarungen ansagt. Von der entgegengesetzten Seite des Platzes ist der Block mit der Jury, wo die Moderation herkommt, unsichtbar.

Das wirkt sich auch in die andere Richtung aus. Am Ende des ersten Schwungs verkündet die Stimme:

«Auf Platz eins hat jemand gewonnen. Wir sehen gerade nicht wer, aber wir gratulieren dem Sieger.»

Die Jungschwinger übergeben die Hosen

Ausser den Organisatoren, den Teams der Schwinger und der Presse bringt noch eine Gruppe Leben auf den grossen Platz: die Jungschwinger. Für sie sind drei Bänke reserviert. Und vor dem Anschwingen überreichen sie den Schwingern deren neue Schwingerhosen.

«Das ist eine so schöne Tradition, wir wollen es unbedingt trotz Corona machen», sagt Evelin Gisler von OK.

Einzig der Applaus bei der Übergabe bleibt aus. Die Stimme aus dem Nichts meint: «Die Wenigen, die hier sind, dürfen gerne für die Jungschwinger klatschen.» Aber die Verwirrung in der Menge ist zu stark. Es bleibt still.

«Die Stimmung fehlt schon», sagt der Jungschwinger Andrin Thut, der dieses Jahr zum ersten Mal dabei ist am Schwinget auf dem Weissenstein.

Andrin hatte sich schon beim vorigen Schwinget anmelden wollen, sei aber zu spät gewesen. Trotz weniger Stimmung geniesse er es jetzt, den Profis beim Schwingen zuzusehen.

Er und seine Freunde sitzen gespannt auf der Bank – sowie die anderen gespannt hinter der Absperrung stehen. Man fühlt sich dem Geschehen nahe, es wirkt fast ein bisschen privat. Umso merkwürdiger ist es, den dämmrigen Platz schliesslich zu verlassen, um wieder bergab in die Sonne zu fahren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert