Im 8. Teil unserer Serie «Solothurnerinnen sichtbar gemacht» kommt Barbara Schlup aus Hägendorf zu Wort. Die Ökologin beschäftigt sich mit der Schnittstelle zwischen Mensch und Natur.
Sophie Deck
Da der Kampf um Frauenrechte immer auch ein Kampf ums Sichtbarwerden war und ist, wollen wir 2021 Solothurnerinnen sichtbar machen. Jeden zweiten Montag (oder Dienstag) erzählt eine Solothurnerin von ihren Erlebnissen und Zielen und zeigt sich so den Leserinnen und den Lesern.
Barbara Schlup
ist 42 Jahre alt, in Egerkingen aufgewachsen und zog später nach Hägendorf. Momentan wohnt sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Luzern, zieht aber noch dieses Jahr wieder zurück nach Hägendorf. Schlup hat an der ETH Zürich Forstingenieurin studiert, an der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL promoviert und arbeitet nun bei der Firma Hintermann & Weber als Ökologin. In dieser Position hat sie 2014 die Umsiedlung der Glögglifrösche aus der Tongrube Fasiswald geleitet. Sie ist nicht nur für ihren Beruf, sondern auch in ihrer Freizeit sehr gerne draussen in der Natur.
Sie sind studierte Forstingenieurin, bezeichnen sich aber als Ökologin. Was ist da der Unterschied?
Als Forstingenieurin habe ich gelernt, dafür zu sorgen, dass der Wald seine Funktionen nachhaltig erfüllen kann, etwa für die Holzproduktion, als Erholungsraum, als Schutz vor Naturgefahren oder – wie in meinem Berufsalltag – für die Biodiversität. Dazu braucht es fundierte Kenntnisse zum Ökosystem Wald. Es braucht aber auch einen Blick, welcher über den Waldrand hinausgeht und die gesamte Landschaft erfasst. Deshalb bezeichne ich mich heutzutage als Ökologin.
Ist Ihnen die Erhaltung der Natur denn auch persönlich wichtig?
Ja, das ist für mich so der Sinn in meiner Arbeit. In der Praxis geht es dann natürlich oft einfach darum, Firmen beim Planen ihrer Projekte zu beraten, sodass die Natur- und Umweltschutzbestimmungen eingehalten sind. Ich beschäftige mich dabei mit der Schnittstelle zwischen Mensch und Natur, also eigentlich mit der Frage: Wie können wir die Natur nutzen, ohne ihr zu schaden? Das Ideal für mich wäre, dass man alle Arten und Pflanzen vollkommen erhalten könnte. Das ist angesichts der heutigen Entwicklungen nicht sehr realistisch, aber jeder Schritt in diese Richtung ist mir wichtig.
Sie sagen, der grösste Teil sei Planung und Beratung. Betreiben Sie auch Forschung?
Forschung ist ein Teil meiner Arbeit, aber ein kleinerer. Ein wichtiges Arbeitsfeld der Firma Hintermann & Weber sind Erfolgskontrollen und Monitorings. Dabei versuchen wir zum Beispiel herauszufinden, ob es von einer bestimmten Tier- oder Pflanzenart nun mehr oder weniger gibt als vor zehn Jahren und was dafür der Grund sein könnte. Solche Resultate fliessen dann wieder in Massnahmen zur Verbesserung der Lebensräume ein. Oder sie zeigen, ob es neue Umweltschutzbestimmungen braucht.
Und was ist für die Erhaltung der Umwelt wichtiger – Praxis oder Forschung?
Es braucht beides. Wenn wir einem Landbesitzer zeigen, wie er eine Wildblumenwiese ansäen und pflegen muss, damit sich ein möglichst hoher Artenreichtum ausbildet, dann wissen wir das, weil es mal jemand erforscht hat. Und als wir in Hägendorf 2014 Glögglifrösche umgesiedelt haben, haben wir diesen neue Lebensräume gebaut. Wie diese Lebensräume aussehen mussten, wussten wir auch durch Untersuchungen, die jemand vor uns gemacht hat. Dafür stossen wir in der Praxis manchmal auf Fragen, die dann wieder zu neuen Forschungen führen. So ergänzen sich die Bereiche gegenseitig.
Sie erwähnen die Umsiedlung der Glögglifrösche aus der Tongrube Fasiswald. Für dieses Projekt haben Sie ein Computerprogramm entwickelt, richtig?
Ja, das stimmt. Mit dem Softwareentwickler Raphael Walker habe ich ein Programm entwickelt, mit dem wir Glögglifrösche unterscheiden können. Es vergleicht die Punktmuster auf deren Rücken, sodass wir sehen, ob wir einen Frosch zweimal gefangen und fotografiert haben.
Das ist aber auch eher Forschung, oder?
Genau. Forschungsbasierte Praxistools zu entwickeln wie z.B. dieses «Fröschli-Programm» ist auch so eine Leidenschaft von mir. Ich habe vieles davon in der Freizeit gemacht.
Nehmen Sie die Arbeit öfter mit nach Hause?
Ich versuche es schon zu trennen. Ab und zu mache ich sicher etwas während des Feierabends. Da mein Beruf auch meine Leidenschaft ist, macht es die Trennung manchmal schwierig. Aber ich habe eine Familie zu Hause, neben den Kindern zu arbeiten, ist nicht gut möglich.
Und mit Ihrer Familie ziehen Sie nun auch wieder nach Hägendorf?
Genau, seit 11 Jahren wohne ich mit meiner Familie in Luzern. Nun dürfen wir aber in Hägendorf in das Haus ziehen, das meine Urgrosseltern gebaut und wir gerade fertig renoviert haben. Darauf freue ich mich sehr. Ich hatte die ganze Zeit noch viele Freunde in der Region Olten und Solothurn und auch viele Projekte bei meiner Arbeit spielten sich hier ab.
Was ist denn Ihr nächstes grösseres Projekt?
Wir unterstützen momentan den Kanton Solothurn, ein Lebensnetz für die Natur aufzubauen, die sogenannte Ökologische Infrastruktur. Das heisst, wir schauen, ob die Lebensräume aller Tier- und Pflanzenarten in genügendem Ausmass vorhanden sind und ob diese Arten auch miteinander im Austausch sind. Die Resultate werden dann zum Beispiel auf Karten dargestellt.
Was ist für Sie die Rolle der Frau in der heutigen Gesellschaft?
Meine Meinung ist, dass Frauen und Männer heutzutage ihre Rolle selber wählen dürfen. Solange die Geschlechter rechtlich gleichgestellt sind, dürfen zwischen den Geschlechtern auch Unterschiede bestehen und jeder darf auch seine Rolle unterschiedlich ausleben.
Gibt es etwas, was Sie anderen Frauen sagen möchten?
Ich gehe als Frau mit dem Selbstverständnis durch die Welt, dass zwischen Männern und Frauen die gleichen Rechte bestehen. Das ist ein Privileg. Früher war das nicht so, da mussten sich Frauen für ihre Rechte einsetzen und kämpfen. Aus meiner Sicht ist das heutzutage nicht mehr der Fall. Deswegen dürfen wir aber dieses Privileg nicht vergessen und müssen da auch Verantwortung übernehmen, dass es so bleibt. Und also auch dort, wo es vielleicht noch nicht ganz so ist, den Finger draufhalten.