«Wenn jemand eine Postkarte für 3.50 mit der Kreditkarte bezahlen will, sage ich einfach nein»: Der Einfluss von Karten und Twint auf Solothurner Geschäfte
Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde man vielerorts dazu angehalten, eine elektronische Bezahlform, also Twint oder Karte, zu verwenden. Dadurch erlebten diese Optionen einen Boom, der zu Einbussen bei Läden und Restaurants führt.
Sophie Deck
«Mitem Chärtli bitte.» Das ist für viele von uns der Standard-Satz beim Bezahlen von Kaffi, Pizza und Einkäufen geworden, wobei auch Twint eine immer beliebtere Variante ist. Gerade zu Beginn der Pandemie, als es an Theken und Kassen überall hiess: «Bitte mit Karte bezahlen», erlebten diese elektronischen Bezahlmethoden noch einen zusätzlichen Boom.
Und jedes Mal, wenn eine Kundin mit Karte bezahlt, müssen Geschäfte eine Gebühr, die Kommission, an ihre Bank entrichten.
Wie beeinflusst der Kartenboom also Restaurants und Läden? Wir haben im Kanton Solothurn an den entsprechenden Stellen nachgefragt.
Bars, Kaffees und Restaurants
Den Aufwärtstrend bei Kartenzahlungen gäbe es zwar bereits seit zehn Jahren, er hätte aber durch die Pandemie noch einen Schub bekommen, heisst es bei der Kantine «1881».
Sieben von acht befragten Restaurants, Bars und Kaffees in der Region geben an, es würden seit der Pandemie über die Hälfte der Gäste mit Karte oder Twint bezahlen – also viel mehr als noch davor.
Für die meisten Befragten fällt die Kommission an die Bank für diese Zahlungen nicht stark ins Gewicht. Sie spüren sie aber an einer anderen Stelle im Portemonnaie: Beim Trinkgeld. So sagt zum Beispiel Thomi Thierry, stellvertretender Geschäftsführer der Barock-Bar, ihr Servicepersonal bekomme seit der Pandemie einen Drittel weniger Trinkgeld als zuvor, weil man mit dem Kärtchen einfach «schnell, schnell» bezahle und es so vergesse.
Auch die Galicia-Bar in Olten vermisst seit der Pandemie Trinkgeld. Wie viel etwa können sie nicht beziffern, aber man merke, dass die Leute bei Kartenzahlung dazu neigen, einfach den genauen Betrag zu bezahlen, statt aufzurunden.
Gleich geht es der Baracoa-Bar in Grenchen. Dem Restaurant Aarhof in Olten fällt ebenfalls auf, dass Leute «fast nie Trinkgeld geben, wenn sie mit der Karte bezahlen», so Mitarbeiterin Edita Sabatich. Allerdings würde sich das unter dem Strich offenbar «irgendwie ausgleichen».
Im Restaurant Enge in Biberist gibt es das Trinkgeldproblem gar nicht. «Die Gäste geben auch mit Karte immer Trinkgeld», sagt Geschäftsführer Markus Krell. «Das hängt wohl damit zusammen, dass wir eine eher ältere Kundschaft haben.»
Anders wiederum in der Kantine «1881» in Luterbach: Sie erhalten seit der Pandemie zwischen 5 und 10 Prozent weniger Trinkgeld als zuvor. Das Trinkgeld sei bisher immer die Entschuldigung für tiefe Löhne in der Gastrobranche gewesen und somit sei das, als würde man dem Servicepersonal den Lohn kürzen.
Auch Thomi Thierry findet die Entwicklung schade:
«Wir geben bei jedem Gast wirklich alles, damit er hier eine schöne Zeit hat»,
sagt er. Langsam würde das aber wieder mehr wertgeschätzt, fügt er hinzu: «Man merkt, die Leute werden nach den Lockdowns wieder etwas sozialer und denken langsam wieder öfter ans Trinkgeld. Und manche checken glaube ich auch jetzt erst, dass man auch gleich mit der Karte Trinkgeld geben kann.»
Zertifikatspflicht
Von der Zertifikatspflicht merken die meisten befragten Restaurants nicht viel. Dies könnte sich natürlich ändern, wenn es noch kälter wird, merken einige an. Doch bisher sitzen immer noch viele Leute draussen. Und auch drinnen seien die Tische gut besetzt. Es sei zwar nicht ganz wie vor Corona, doch dennoch sei wieder ein Hauch von Normalität eingekehrt. «Und die Leute sind auch endlich wieder lockerer und entspannter», sagt Thomi Thierry. Lange Zeit sei die Stimmung immer eher «gedämpft» gewesen. Doch an einer Stelle merke man die Zertifikatspflicht dennoch, erwähnen zwei Restaurants: Bei Weihnachtsessen. Denn wenn eine Person in einem Betrieb nicht geimpft sei, verzichten viele lieber ganz auf eine Reservation.
Kleine Läden
Neben den Restaurants spüren auch die Läden in der Region die zunehmende Beliebtheit von Karten und Twint. So geben vier von vier befragten Geschäften an, dass nun zwischen 50 und 75 Prozent ihrer Kunden elektronisch bezahlen. Anders als für Restaurants ist die Kommission für kleinere Läden entscheidend. Während Ladenketten wie Manor oder Migros sie gut verkraften können, fallen die Gebühren bei unabhängigen Geschäften stärker ins Gewicht.
Der Geschenkladen Lila am Friedhofplatz Solothurn informiert zum Beispiel, sie hätten Ende Jahr immer weniger Umsatz wegen Kartenzahlungen – Twint habe genau den gleichen Effekt. Besonders schlimm seien Kreditkarten, denn dort sei die Kommission noch höher. «Wenn jemand eine Postkarte für 3.50 mit der Kreditkarte bezahlen will, dann sage ich einfach nein», sagt Geschäftsinhaberin Nadia von Arx.
Mit allen anderen Arten von Kärtchen, also EC- und Debitkarten und auch mit Twint, könne man bei ihr jeden Betrag bezahlen, obwohl auch das nicht optimal sei, doch mit einer Kreditkarte würde sie bei so kleinen Beträgen ein Verlustgeschäft machen. Dass manche ihrer Kunden sich deshalb vor den Kopf gestossen fühlen, müsse sie einfach akzeptieren.
Auch der «Kerzenjeger» an der Solothurner Hauptgasse spürt die Veränderung, bei ihnen könne man aber alles mit jeder Karte bezahlen. Nur bei Beträgen unter fünf Franken fragen sie, ob die Person nicht vielleicht Bargeld hätte. Der Spezialitätenladen pur. in der Vorstadt akzeptiert die Entwicklung indes einfach und fragt nie nach Bargeld.
Und dann gibt es noch jemanden, mit einer ganz anderen Meinung: Teodora Frank, die den Laden hanfexpert.ch in der Solothurner Vorstadt führt, findet Kärtchen und Twint super. Sie sagt:
«Klar muss man diese Kommission bezahlen, aber das tue ich gerne, wenn meine Kundinnen dadurch in Coronazeiten sicherer sind.»
Bei ihr bezahlen fast alle elektronisch – letztens hätte sogar eine 80-jährige Frau mit Twint bezahlt.
Befragte Geschäfte
- Galicia Bar, Olten
- Baracoa, Grenchen
- Café Ring, Olten
- Café & Bar Barock, Solothurn
- Confiserie Hofer, Solothurn
- 1881 Kantine, Luterbach
- Restaurant Aarhof, Olten
- Gasthof Enge, Biberist
- Lila, Solothurn
- hanfexpert.ch, Solothurn
- Kerzenjeger, Solothurn
- pur., Solothurn